Mittwoch, 3. Dezember 2008

KUNSTPROJEKT IM STRAFVOLLZUG


Konzept für ein künstlerisch - therapeutisches Projekt im Strafvollzug

Das Erlernen von Fähigkeiten erfasst immer den ganzen Menschen und ist damit Persönlichkeitsbildung.

Das plastische Arbeiten an freien Formen und vor allem an der menschlichen Physiognomie bietet eine Möglichkeit der Auseinandersetzung mit sich selbst auf einer ausgelagerten Ebene. Die Fähigkeit eine Form bewusst zu gestalten fördert Gestaltungskräfte - nicht zuletzt auch im seelischen Bereich und in Bezug auf die eigene Biographie.

Methodischer Ansatz für plastisches Arbeiten

Die grundlegenden plastischen Elemente Konvex, Konkav und Ebene als Ausdruck seelischer Verhältnisse.

Der Bildhauer bzw. Plastiker hat es im Wesentlichen mit drei Formelementen zu tun, auf die sich letztlich alle Formen reduzieren lassen, nämlich Konvex, Konkav und Ebene. Alle Körper sind aus diesen Elementen zusammengesetzt - Spitzen, Kanten, Ecken oder ähnliche Erscheinungsformen entstehen lediglich aus dem unterschiedlichen Zusammenspiel dieser drei Grundelemente. Dies würde in der Malerei den Grundfarben entsprechen, aus denen der Maler theoretisch seine ganze Palette mischen kann.

Die Ausgestaltung einer Plastik in Ton erfordert nun in erster Linie die Fähigkeit, eine Fläche zu "spannen", das heißt im Grunde, sich sehr bewusst auf die Gestaltung der Fläche einzulassen, ein Konvex beispielsweise wirklich konvex auszuformen und nicht konkave Elemente hineinzumischen. Deshalb ist es am Anfang besonders wichtig, sich mit diesen so einfach erscheinenden Grundverhältnissen vertraut zu machen und sich darin zu üben, diese in möglichst reiner Ausformung zu gestalten.

Um ein Konvex modellieren zu können, muss ich in mir die Fähigkeit ausbilden, "Raum zu geben", etwas wachsen zu lassen.

Um ein Konkav zu plastizieren muss ich im wahrsten Sinne "beeindrucken", mich dem Material gegenüberstellen.

Dort, wo diese beiden Polaritäten aufeinandertreffen, tritt die doppelt gebogene Fläche auf - da muss ich nun harmonisierend tätig sein, muss lernen, Gegensätze zu verbinden, auszugleichen.

Die Spannung und Dynamik einer Fläche ist das Abbild der eigenen seelischen Verhältnisse und konfrontiert auf einer ausgelagerten Ebene mit sich selbst.

Das Arbeiten am Objekt ist gleichzeitig ein Arbeiten an sich selbst!

So kann z.B. ein Konkav in völlig unterschiedlicher Qualität erscheinen: es kann beispielsweise einen saugenden, verschlingenden Charakter annehmen. Genauso kann es aber Wärme und Geborgenheit vermitteln. Das hängt jeweils von der Art seiner Ausformung ab. Da diese Ausformung beim Anfänger unbewusst passiert, lässt sich aus der Form viel über die seelische Verfassung dessen ablesen, der sie gestaltet hat (Diagnose). Im Verlauf eines künstlerischen Übungsweg lernt man dann, diese verschiedenen Qualitäten differenzierter wahrzunehmen (Sensibilisierung), um letztlich bewusst damit umzugehen. Dieser Lernprozess beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Gestaltungsfähigkeit im künstlerischen Bereich sondern wird gleichzeitig zur Möglichkeit des bewussteren Umgangs mit dem eigenen Seelenleben.

Verlauf und Zielsetzungen

Phase I

Am Beginn des Projekts sollen einfache Grundformen wie Kugel, Schale, Ebene, Welle usw. entstehen. In der Folge kann dann auch an eigenen freien Kreationen gearbeitet werden. Auch das gemeinsame Arbeiten mehrerer Teilnehmer an einer Plastik ist möglich.

In Arbeitsbesprechungen werden die entstandenen Formen betrachtet, charakterisiert und in ihren unterschiedlichen Spannungsverhältnissen zueinander angeschaut.

Folgende grundlegende Fähigkeiten des plastischen Arbeitens sollen dabei erübt werden:

Arbeiten mit Aufbautechnik.

Flächen spannen, Dynamik wahrnehmen.

Umgang mit Proportion.

Entdecken von Spannungsverhältnissen zwischen verschiedenen Formen.

Charakterisieren von plastischen Phänomenen (an den eigenen Werken und denen der anderen Teilnehmer) - jedoch ohne sie zu bewerten.

Konsequente und kontinuierliche Arbeitsweise.

Ziele sind die

Entwicklung von Formempfinden.

Steigerung des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten.

Entwicklung der Erlebnisfähigkeit.

Sensibilisierung der Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung - Selbstkompetenz.

Steigerung des Durchhaltevermögens.

Phase II

"Was mir aus meiner Arbeit entgegenkommt, bin immer ich selbst!"

In der zweiten Phase wird es dann von den allgemeinen und freien Formen weg, zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Physiognomie gehen.

Ausgehend von der Erarbeitung der grundsätzlichen Proportionsverhältnisse des menschlichen Schädels geht es im Lauf der Arbeit immer mehr darum, ein Antlitz mit seelischem Ausdruck zu modellieren.

Das, was ein Künstler unbewusst an Ausdruck in ein Portrait hineinlegt, ist immer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit - und gerade bei mit plastisch - künstlerischem Gestalten Unerfahrenen ist dies der Fall. Damit ist nochmals, auf einer höheren und konkreteren Ebene die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit sich selbst geboten. Wie sehe ich mich selbst? Deckt sich meine Selbstwahrnehmung mit dem, wie mich meine Umgebung wahrnimmt?

Phase III

In einer dritten Phase könnte von den entstandenen Portraitbüsten ein Bronzeabguss genommen werden.

Dies kann sowohl an eine Gießerei delegiert, als auch mit Hilfe von Fachleuten von den Teilnehmern selbst gemacht werden. Die Nachbearbeitung der Abgüsse sollte auf alle Fälle selbst gemacht werden, da dies eine neuerliche Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit ermöglicht und auch vom handwerklichen Prozess interessant wäre.

Eine Umsetzung in Bronze ist allerdings mit erheblichen Kosten verbunden, was wohl eines erweiterten Finanzierungskonzepts bedarf (Sponsor). Eine kostengünstigere Variante wären Gipsabgüsse.

Ausstellung

Die Organisation einer Ausstellung im größeren Rahmen würde den Effekt des Projekts in vielerlei Hinsicht erweitern.

Die Teilnehmer hätten die Möglichkeit sich mit ihren künstlerischen Äußerungen in der Öffentlichkeit zu präsentieren und ein positives Feedback für ihre Arbeit zu bekommen, was zur Hebung des Selbstwerts beitragen würde.

Darüber hinaus könnte in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Problematik des Strafvollzugs und eine neue Ebene der Wahrnehmung von Strafgefangenen entstehen: der Häftling nicht mehr nur als gefährliche Person, die hinter Gittern von der Gesellschaft ferngehalten wird, sondern als sich entwickelnde, an sich arbeitende Persönlichkeit.

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